Liebe Freunde und Bekannte mit Interesse für das Projekt “Kindergarten Mingun” !
Es ist Freitag Nachmittag und ich sitze auf der Veranda neben meinem Zimmer auf der neu gemachten Bank aus dem schönen weinrot-gelborangenem Holz, die mir der village-leader Bodo zur Verfügung gestellt hat. Ich schaue auf den Garten und keine liegen gelassene Plastiktüte trübt mein Auge. Heute, Freitag, war wie immer “cleaning”: Die Erzieherinnen wirbeln mit den Kindern wie wild im Garten herum, es wird eingesammelt, gerecht, gekehrt, dass es staubt. Danach gießen die Kinder den Garten und dann gibt es eine Gartenrunde, in der man nach den Pflanzen und ihren Veränderungen schaut. Im Gemüsegarten sind in den letzten Wochen Kürbisse, Kohl und Tomaten gepflanzt worden. Die Setzlinge für die Kürbisse und den Kohl haben die Kinder selber gezogen, wie ich es letztes Jahr vorgezeigt hatte, mit Namensschild auf jedem Plastikschälchen. Die Tomaten hat eine Schülerin von zu hause mitgebracht. Nebenan befestigt gerade der Schreiner die Regale im neuen office, das ja momentan mein Zimmer ist, an der Wand. Das Teakholz ist irre schwer, drum war zum Anbringen eine burmesische Konstruktion notwendig. Insgesamt ist alles ganz toll geworden. Am Wochenende wird noch der Teppichboden eingepasst und geschnitten. Verklebt wird er, wenn Annette das doppelseitige Klebeband bringt. Sie kommt nächsten Freitag und wird eine Woche im Kindergarten mitarbeiten und das Dorfleben genießen. Dann reisen wir zusammen noch zwei Wochen durchs Land. Ich freue mich darauf, mein Einsatzland auch aus der Touristenperspektive anzuschauen.
Nun, kurz vor 18 Uhr tritt die Dämmerung ein und es wird schnell dunkel. Die Touristen sind alle heim gefahren. Ich fühle mich geborgen in der Obhut der Einheimischen. Seit einer Woche bekomme ich mein Mittagessen von Bodos Frau in den Kindergarten gebracht. Es ist eine sehr abwechslungsreiche Hausmannskost, mal kleine Schrimps in Tomatensoße, mal eine Kingsprawn. Heute hat mir eine Kindergartenmama Gebäck vorbeigebracht , die Tochter durfte es überreichen. Gestern habe ich von meinem Restaurant ein Chicken-Sandwich gebracht bekommen, das eine unbekannte Person für mich bestellt hat. Vielen Leuten bin ich bekannt, ich kenne sie bedauerlicherweise nicht persönlich. Morgen darf ich bei einer neuen Schülerin essen, bin gespannt. Mit dem Ergebnis meines Unterrichts bin ich total zufrieden, man sieht die Fortschritte in der täglichen Arbeit. Nur das Studieren zu hause fällt ihnen schwer. Da muss ich manchmal streng werden. Wir wiederholen gerade unseren Theorieteil, da ist Selbststudium gefragt. Sie müssen auch vermehrt die Arbeit mit den Kindern daheim vorbereiten, das ist neu und ungewohnt. Doch wir haben ja noch zwei Wochen, da bleiben wir hartnäckig dran. Ich lass mir das via Internet weiterhin berichten, Kyaw Kyaw ist da ein zuverlässiger Kontrolleur, der in meinem Sinne tätig ist. Momentan sprechen wir auch über das Elternmeeting in der übernächsten Woche. Das kam 2012 gut an und hat zum Ruf des Kindergartens beigetragen. Dieses Wochenende, wir arbeiten auch Samstag und Sonntag, werden wir noch eine kleine Ausstellung mit Kinderzeichnungen vorbereiten, um den Eltern die Entwicklung beim Zeichnen nahezubringen. Ich bin gespannt auf das Interesse der Eltern. Die Mädels trauen ihren Eltern nicht viel zu, “sie sind vom Dorf und verstehen das nicht”, meinen sie. Heute, Samstag, werden wir die Bilder auf der Schautafel befestigen und eine junge Frau wird bis morgen die erklärenden Kärtchen dazu schreiben. Ich hoffe, dass der Unterricht nicht wieder durch einen nervtötenden Stromausfall unterbrochen wird. Meist tritt er um halb acht ein. Dann grabscht jede die bereitliegende Taschenlampe, sucht in Schubladen nach Kerzenstummeln, schlüpft im Dunkeln in die Flipflops, um draußen ein paar Steine aufzulesen, diese natürlich paniert mit Sand, wir leben ja am Fluss. Auf diesen Steinen werden dann die Kerzen befestigt. Ich während dessen nehme einen Schluck Wasser und mache einen Frustgriff in den bereitstehenden Snackteller, um das innere Feuer zu löschen. Besonders schrecklich ist es, wenn eine Stunde vorher das Gleiche schon mal passiert ist, während der Schulkindbetreuung, wenn die großen Jungs grad die tollste Konstruktion mit der neuen Kugelbahn fertiggestellt haben. Nun, so läuft das Leben hier ab. Es gibt immer was vorzubereiten, etwas zu organisieren und zu besprechen, ich bin gut beschäftigt. Ich hoffe, ich habe wieder einen kleinen Eindruck von meinem Einsatzort gegeben. Zum Abschluss noch die kleine Morgenmusik von Mingun: Sie beginnt mit dem Morgengebet der Mönche, begleitet von Trommel- und Xylophonmusik, da stimmen schon die ersten Hähne ein, ein früher Tanker brummt auf dem Fluss, eine Nachbarin hat schon das Radio eingeschaltet, eine Frau geht durch die Straßen und bietet lautstark ihr frisches Fettgebäck an, die ersten Motorräder fahren hupend um die Ecke, junge Hunde quietschen, verschiedene Vogelstimmen wetteifern untereinander. Dann ist Zeit, die Fensterläden aufzustossen und einen Blick auf die großen Tamarindenbäume zu werfen, die man auf Google earth so wunderbar sehen kann.
Viele liebe Grüße aus dem kleinen Mingun am großen Irrawady, Christine