Brigitte Falkenstein, die Patin von Nann Kyi schreibt: „Seit rund zehn Jahren darf ich meine Patentochter Nann Kyi auf ihrem Weg begleiten. Sie hat sich in dieser Zeit von einem schüchternen Schulmädchen zu einer selbstsicheren jungen Frau entwickelt. Hier können Sie Ihre Geschichte lesen:“
Mit unermüdlichem Ehrgeiz hat sie es aus einem kleinen Dorf in Myanmar bis an die Universität in Thailand geschafft. Nann Kyi hat drei Geschwister und stammt aus einer Bauernfamilie, die Tabak für Cherroot-Zigarren anbaut. Sie gehören zur ethnischen Minderheit der Pa’O. Man erkennt sie an ihren bunten Turbanen und ihrer farbenfrohen Kleidung.
Ihr älterer Bruder wurde von den Eltern auf die Phaung Daw Oo Monastic School (PDO) in Mandalay geschickt. Nann Kyi war damals 10 Jahre alt. Als sie davon erfuhr, flehte sie ihre Eltern an, sie mitnehmen zu dürfen, denn sie wollte lernen.
Ihr Bruder brach die Schule bald ab, aber sie blieb allein. Weit weg von ihren Eltern, eine Tagesreise mit dem Bus. Selbst in den dreimonatigen Ferien fuhr sie meistens nicht nach Hause, weil es zu teuer und zu weit war. Die einzige Unterstützung, die sie in dieser Zeit von ihren Eltern bekam, war ab und zu etwas zu essen, das mit dem Bus geschickt wurde.
Als sie nach der 9. Klasse nach Hause kam, wollte ihr Vater, dass sie zu Hause blieb. Er meinte, sie hätte jetzt genug gelernt. Doch ihre Mutter setzte sich dafür ein, dass sie weiter lernen durfte. So konnte Nann Kyi weiter zur Schule gehen und mit großem Erfolg abschließen.
Nann Kyi ist die Erste aus ihrem Dorf, die die Schule abgeschlossen hat. Und sie hat es noch weiter gebracht, denn sie geht jetzt auf die Universität. Alle, die mit ihr zur Grundschule gingen, sind heute verheiratet, haben Kinder und leben im Dorf. Sie sind Bauern oder gehen einfachen Arbeiten nach.
Ihre Patin beschreibt sie als fleißiges Bienchen. Das Lernen fliegt ihr nicht zu, aber sie ist sehr ehrgeizig und hat ein Ziel vor Augen. Dieses verfolgt sie konsequent.
Nann Kyi möchte Bildung in die ländlichen Gebiete Myanmars bringen, zu den Kindern, die sonst keine Chance zum Lernen haben. Ihr Traum ist es, eine rollende Bibliothek zu organisieren. Sie sagt immer: „Lesen ist Bildung – es ist egal, was du liest, Hauptsache, du kannst gut lesen“.
Sie möchte für eine NGO arbeiten, um ihren Traum von einer rollenden Bibliothek zu verwirklichen.
Sie hat zwei Jahre an der burmesischen Universität studiert und ein Pre-College-Programm in Sozialwissenschaften abgeschlossen. Dabei ging es um aktuelle Entwicklungen aus historischer, politischer, geographischer und ethischer Perspektive.
Dann entdeckte sie das Parami Institut und erhielt dort ein Stipendium. Dort konnte sie sich wieder ihrem Lieblingsthema, den Sozialwissenschaften, widmen. Sie hatte Lehrer*innen aus England und den USA und lernte hervorragend Englisch. Von dieser tollen Gemeinschaft zehrt sie noch heute. Dafür zog sie allein nach Yangon, einer Großstadt in Myanmar. Sie musste sich komplett auf neue Menschen einlassen und alleine zurechtkommen.
Dann kamen leider der COVID-Lockdown und der Militärputsch. Sie konnte den Kurs nur online beenden. Das Herausforderndste war, dass sie in Yangon gefangen war und nicht zu ihren Freund*innen nach Mandalay zurückkehren konnte.
Aber Nann Kyi ließ sich nicht entmutigen und bewarb sich um Stipendien. Schließlich erhielt sie ein Stipendium für Chiang Mai in Thailand. Ihre Patin sagte: „Wir schaffen das, ich unterstütze dich.“ So konnte sie aufbrechen und mit zwei Teilstipendien ihr Studium in Thailand beginnen.
Die Situation für Burmes*innen in Thailand ist wegen der Diskriminierung schwierig, da so viele dorthin geflohen sind.
Plötzlich bekam sie heftige Alpträume und Depressionen. Der Militärputsch und die schwierige Situation hatten ihr mehr zugesetzt, als gut für sie war. Sie suchte Unterstützung und ist inzwischen auf einem guten Weg.
In Thailand wollte Nann Kyi unbedingt Thailänder*innen kennenlernen, nicht nur mit Burmes*innen zusammen sein. Denn sie wollte weiter lernen. So wohnte sie gleich zu Beginn mit zwei thailändischen Student*innen zusammen. Sie konnten kaum Englisch und sie noch nicht genug Thai, so dass die Verständigung sehr schwierig war.
Sie hat manchmal großes Heimweh und kann nur selten mit ihren Eltern telefonieren, weil die Telefonverbindung sehr schlecht ist. Sie kann jetzt nicht nach Hause fahren, weil sie Angst hat, nicht mehr aus dem Land herauszukommen.
In der Schule läuft alles gut. Zum zweiten Mal in Folge hat sie den Excellence Award für gute Noten erhalten.
Wir sind sehr stolz auf Nann Kyi und gespannt, was aus ihr wird. Wir freuen uns schon auf die rollende Bibliothek in den Dörfern Myanmars und drücken die Daumen, dass ihre Träume wahr werden.
Ende Juli 2024; Saskia Bülow und Brigitte Falkenstein – Alle Fotorechte bei „Förderverein Myanmar e.V.“