Mütterausbildung in Mingun: Die dritte Woche

Erstes Treffen: Mütterschulung für Dorffrauen mit burmesischer Lehrerin

Liebe Freunde und Unterstützer des Mingun-Projekts!

Der Einsatz geht nun in die dritte Woche. Ich bin zufrieden mit dem Verlauf.

Weiter gehts: Die Fortschritte bei der Mütterschulung

Bei der Mütterschulung haben wir einen weiteren Schritt eingeleitet: die Einladung der Mütter aus dem Dorf. Es sollte ja zuerst ein kleiner Kreis von Frauen, die in der Gemeinde hohe Anerkennung genießen, mit den Unterrichtsinhalten vertraut gemacht werden. Der Plan war, dass sie dieses Wissen an interessierte Frauen aus dem Dorf weitergeben. Nach zwei Wochen Vorlauf haben sie nun die Dorf-Mütter eingeladen. Wir hatten in der Basisgruppe das Treffen vorbesprochen, vom Inhalt und Ablauf her. Drei Frauen wollen nun den Kurs abwechselnd leiten.
Es kamen zum ersten Treffen am Donnerstagabend zehn Frauen, eine befriedigende Anzahl. Diese Form von Erwachsenenbildung ist für alle neu und unbekannt. Ich denke, die Qualität der gelehrten Inhalte muß sich erst herumsprechen. Durch Mundpropaganda schließen sich sicher noch weitere Frauen an.
Es wurde natürlich mit der üblichen burmesischen Verspätung begonnen. Die wartenden Veranstalterinnen haben mit mir schon darüber gewitzelt. Zu Beginn begrüßte Kyaw Kyaw die Frauen und stellte die Lehrerinnen vor. Danach sprach ein Mitglied des Dorfkomitees. Er bedankte sich, dass ich von so weit hergekommen bin, um den Frauen diese Weiterbildung anzubieten. Gleichzeitig forderte er sie auf, diese Chance zu nutzen und regelmäßig zu kommen. Danach hat die verantwortliche Lehrerin hochprofessionell die Inhalte der Schulung an die Tafel geschrieben und die Reihenfolge der Vermittlung festgelegt. Sie hatte sich schriftlich vorbereitet und schon von weiteren Lehrinhalten Übersetzungen erstellt, die später kopiert und den Frauen ausgehändigt werden sollen. Zusammen haben die Mütter den Tag für das nächste Treffen ausgemacht, in heftiger Diskussion, alle durcheinander sprechend. Das Ergebnis: Drei Mal in der Woche soll getagt werden, das nächste Mal am Samstag. Aus allen Ecken klang „Haude“, „Haude“, so ist es recht, so machen wir das. Die Lehrerin hat auch in Aussicht gestellt. dass die Mütter ein „Buch“ und einen Stift bekommen. Bei der Reflexion am folgenden Tag waren die künftigen Lehrerinnen mit der Veranstaltung total zufrieden.

Thema: Umweltschutz
Am Samstag trudelten die Teilnehmerinnen des zweiten Treffens bei Dunkelheit ein, zum Teil in Begleitung ihrer Kinder. Mein zuhause erstellter Reader wurde verteilt, in den am Ende der Veranstaltung die Kopien in burmesischer Schrift eingeklebt wurden. Die Lehrerin hat das Thema „Umweltschutz“ an die Tafel geschrieben und anschließend erklärt. Reges Kopfnicken in den Reihen. Es wurde eine große Stofftasche gezeigt, die sie in Zukunft beim Marktgang benutzen sollen, um den Plastiktütenverbrauch zu reduzieren. Weiterhin wurde angeregt, so etwas wie die Anfänge einer Mülltrennung zu probieren, d. h. die Gemüseabfälle vom Kochen den benachbarten Bauern als Viehfutter zukommen zu lassen. Das Thema „Mikroplastik“ wurde mittels einer Bildfolge „Von der Plastiktüte bis zum Fisch auf dem Teller“ veranschaulicht. Sie haben ja ein Beispiel von Wasserverunreinigung vor ihrer Haustür: die Irrawady-Delfine sind auf dem Rückzug. Ich mache mir keine Illusionen über die Wirksamkeit dieser Unterweisung. Wenn nur eine Nuance von Problembewußtsein entstanden ist, kann man schon zufrieden sein. Am Montag ist das nächste Treffen.

Bei der Zeremonie in der Klosterschule: Übergabe des Geschenks an den Mönch

Mittagessen der Nonnen, der Novizen und der Gäste, im Vordergrund die Reistafel

Zeremonie in der Klosterschule

Am Dienstag dieser Woche wurde ich zu einer Zeremonie in die große Klosterschule, die ich in der ersten Woche schon besucht habe, eingeladen. Das Dorf hat wieder Geld gesammelt, um die Schule zu unterstützen. Dieses wurde, zusammen mit Geschenken an die Mönche, feierlich überreicht. Die Bevölkerung war zum Essen eingeladen. Ich durfte mit den englischen Jungs zusammen sitzen. Die liebe Nonne vom letzten Mal hat mich wieder mütterlich umsorgt. Solche Zeremonien haben keinen straffen Ablauf. Alles passiert so ad hoc. Mal erschallt eine Zeitlang laute Musik, sodaß man sich kaum unterhalten kann. Dann treten die Mönche in einer Reihe hintereinander an, um von Frauen die Geschenke überreicht zu bekommen. Mir wurde auch ein Paket in die Hand gedrückt, dass ich, aus Respekt barfuß gehend, an den mir gegenüber stehenden Mönch abgegeben habe. Alles fand im Freien unter hohen Bäumen statt. Dabei wurde vom jungen Abt unentwegt fotografiert. Die Mönche besitzen ja auch Smartephones, die sie von den Gläubigen geschenkt bekommen haben. Den Abschluss der Feierlichkeit bildet immer das Essen. Es wurde in den einzelnen Klassenzimmern auf niedrigen Tischen angerichtet: ein Vielzahl von kleinen Schalen mit knackigem Gemüse, Tomatensoße, Hähnchen- und Schweinefleisch, diesmal auch Ziegenfleisch. Am Boden kauernd mit eingeschlafenen Beinen zu essen, ist für mich nicht das wahre Vergnügen. Nach dem Genuß der Nachspeise, bestehend aus frischen Ananas, Bananen und Mandarinen darf man sich dann verabschieden.

Am Donnerstag Morgen war ich zur Verlobung der Schwester einer Grundschullehrerin eingeladen. Beide Partner waren schon einmal verheiratet. Es war ziemlich unspektakulär: um 8.30 Uhr bereits Mittagessen mit Reis, Gemüse und Fleisch, Teetrinken und dann schnell wieder gehen. Die Grundschullehrerinnen, die mit mir eingeladen waren, wollten ja bis Schulbeginn um 9 Uhr wieder an ihrer Arbeitsstelle sein. Bei der Übergabe meines Geschenks (zwei Teller, zwei Tassen und eine meiner kostbaren Ritter Sport Schokoladen) an die Braut, habe ich verwundert nach dem Bräutigam gefragt. Er kam dann pflichtschuldigst aus seiner Ecke heraus an den Tisch und stand verlegen all den Frauen gegenüber. Am schneeweißen, neuen Hemd hätte ich ihn erkennen können! Als ein männlicher Gast kam, zog er sich wieder an den Nebentisch zurück. Jedenfalls war es nett, dass sie mich eingeladen haben.

Rohingya:  Die Greuel werden nicht genannt. Man möchte nicht darüber reden.

Bei allgemeinen Unterhaltungen frage ich natürlich die Leuten, die ich gut kenne, nach ihrer Meinung zur politischen Lage . Besonders interessiert mich, was die Leute um mich herum zum Problem Rohingyas sagen, weil ich in Deutschland immer darauf angesprochen werde. Grundsätzlich meinen sie, die Rohinghas sind kein burmesischer Volksstamm. Es gibt ja bis zu vierzig verschiedene ethnische Gruppen in Myanmar. Viele leben in den Bergen in großer Eigenständigkeit. Die Rohinghas zählen sie nicht dazu. Es sind Bangladeshi. Sie kamen ja, von den Engländern als billige Arbeiter geholt, auf das burmesische Staatsgebiet. Es sind Moslems, haben ihre eigene Sprache und haben sich nie integriert. Wer mit den Aggressionen begonnen hat in diesem Konflikt, ist nicht mehr festzustellen. Eine bestimmte Anzahl soll jedenfalls nach ihrer Vertreibung oder Flucht die Möglichkeit zur Rückkehr erhalten und burmesische Papiere bekommen. Auf den Mönch eines Klosters in Mandalay angesprochen, der sich als Hassprediger hervor tut, sagten mir meine Bekannten, dass er kaum Anhänger hat in dieser Gegend. Als er vor zwei Wochen in Mingun war, saß er allein, ohne Zuhörer, vor seinem Mikrofon. Es wird total verurteilt, wenn sich Mönche politisch äußern und auch noch zur Gewalt aufrufen. Er benutzt angeblich seinen Status als Mönch, um einen gewissen Schutz vor Verhaftung zu haben. „Wir leben hier in einer tief religiösen Gegend, bei uns ist es friedlich“, sagten mir meine Gesprächspartner zum Schluß.

Es ist den Burmesen äußerst peinlich, durch den Rohingya-Konflikt in die Weltpresse gekommen zu sein. Sie fühlen sich von der ganzen Welt falsch verstanden in dieser Sache, als Gewalttäter abgestempelt. Der Tourismus leidet unter dieser Entwicklung. Es trifft hier die kleinen Leute, wie ich auch im Alltag sehen kann. Viele Familien in Mingun schöpfen ihren Lebensunterhalt aus dem Tourismus. Selbst im Kindergarten waren hie und da Ausländer, die Geld, Spielzeug oder Stifte da ließen. Auch das ist zurückgegangen. Sie forderten mich auf, aller Welt zu sagen, dass sie ein friedliches Volk sind und die Fremden brauchen und willkommen heißen.

 

Aus dem alltäglichen Leben

Zum Abschluß wieder ein paar Eindrücke aus meinem alltäglichen Leben.
Der Tag beginnt mit dem üblichen Besuch im Teashop. Dort empfängt mich der Teashop-Boy lächelnd mit meiner Tasse Neskaffee. Er arbeitet schon zweieinhalb Stunden, bevor er seine Bayern-München-Shorts aus- und den grünen Schul-Longi anzieht, sich auf sein Bonanzarad schwingt und den Schulweg antritt. Er ist super emsig und aufmerksam beim Bedienen, Abräumen und Tischewischen. Er hat das Glück, deutsche Pateneltern zu haben, die ihn unterstützen und ihn auch schon besucht haben. Auf meine Bestellung ist er immer gespannt. Es gibt ja zwei Varianten: Itschaque oder Mohinga. Die dritte bringe ich gelegentlich selbst mit, Hefenudeln aus dem Kramerladen. Alles leere Kalorien, der krasse Kontrast zum Müsli mit Früchten zuhause. Itschaque ist ein Fettgebäck, das jeden Morgen frisch hergestellt wird und warm sehr gut schmeckt. Moginga ist ein neues Angebot aus der Suppenküche des Teashops. Eine Frau belegt dort einen Tisch unter dem Dach des Teashops, auf dem alle Zutaten für die Suppe bereitstehen. Diese hat sie schon zuhause vorgekocht. Hinter ihr siedet auf einem mit Holzkohle befeuerten Betonstöfchen die Brühe. Geht eine Bestellung ein, wird der Teller mit Glasnudeln, einem gehackten Ei, Silberzwiebeln und knusprigen Suppeneinlagen gefüllt. Alles wird mit der Brühe aufgegossen. Am Tisch kann man die Mahlzeit noch mit Koreandergrün und Chilli ergänzen. Mir schmeckt die Suppe ganz gut. Der Mohinga-Tisch wird gegen 9 Uhr abgebaut, die restlichen Lebensmittel auf dem Moped des wartenden Ehemanns verstaut, die Wachstischdecke zusammengefaltet und in den Teashop gebracht. Einkommensquellen dieser Art sind eine der vielen Möglichkeiten, sich über Wasser zu halten. Meist sind es die Frauen, die gute Ideen haben, schon früh morgens aufstehen, alles vorbereiten und dann durch die Straßen ziehen mit ihrem Angebot. Überhaupt sind es die Frauen, die den ganzen Tag rege sind: auf den Markt gehen zum Einkaufen, das Essen kochen, am Fluss Wäsche waschen, die Kinder umsorgen, ein kleines Geschäftchen betreiben.

Heute am Sonntag, kommen um 10 Uhr die Grundschullehrerinnen, denen ich noch verschiedene Mathematik-Materialien für Lehrerhand und für Schülergebrauch vorstellen will. Sie sind dankbar über die Tipps und anschaulichen Materialien. Dass Kinder selbsttätig werden im Unterricht und mit allen Sinnen lernen, ist hier unbekannt. In der kleinen Grundschule hier wäre das möglich, in der Staatsschule mit 70 Kinder in einer Klasse ist es undenkbar.
Um 16 Uhr trifft sich die Basisgruppe der Mütter, um weiter zu lernen. Momentan steht Entwicklungspsychologie auf dem Plan. Sie kommen zuverlässig und sind sehr interessiert. Sie bringen als Mütter ihre Erfahrungen mit ein. Auch Kyaw Kyaw als Übersetzer ist jede Stunde wieder eine Wucht. Er läuft zwar als letzter in der Arena ein, doch dann ist er hochmotiviert. Er steht mir seit sechs Jahren in dieser Funktion zur Seite, hat deshalb auch schon durchs Übersetzen viel gelernt und erfrischt die Lehre immer mit burmesischen Beispielen. Die Vermittlung steht und fällt mit der Qualität der Übersetzung. Er ist mein zweites Gehirn, sage ich immer zu ihm.
Ansonsten muß man hier oft ein Auge zudrücken. Doch nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch in der Realität schließe ich manchmal die Augen, um dem Geist eine Erholung zu bieten. Es gibt einfach soviel in meiner unmittelbaren Umgebung, das mein ästhetisches Empfinden arg auf die Probe stellt. Der Sinn für Ordnung und Sauberkeit ist einfach ein anderer. Bei meinen früheren Einsätzen habe ich mit den Erzieherinnen und einigen engagierten Kindergarten-Müttern einen Großputz im ganzen Gebäude gemacht, in der Hoffnung, dass sie das Ergebnis zur Nachahmung anregt. Doch diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Ich spiele nicht mehr die teuer eingeflogene akademische Putzfrau.
Nun warte ich wieder auf den täglichen Besuch meines Huhns. Wir haben ja auf dem Kindergartengelände eine kleine Hühnerschaar mit zwei Hähnen, die sich spinnefeind sind. Früher sind die Hunde zum Fenster des Kindergarten reingehüpft. Seit der Kindergarten rund herum statt dem löchrigen Bambuszaun eine Mauer hat, haben diese unappetittlichen Auftritte ein Ende. So können sich die Hühner frei bewegen, ohne Gefahr zu laufen, gejagt zu werden. Sie sind recht dreidimensional: nachts lagern sie auf den Bäumen. Zwei Freundinnen, ein hell- und ein dunkelbraunes Hühnchen beziehen täglich bei Dämmerung ihren Schlafbaum an der Treppe zum Kindergarten. Eins dieser Hühner spaziert regelmäßig zu mir ins Zimmer, setzt sich auf den Schlafsack und legt dort ein Ei. Ein wunderbares Geschenk!
Mit dieser kleinen Geschichte verabschiede ich mich für dieses Mal wieder aus dem kleinen Mingun am großen Irrawady, Christine

3. Dezember 2018 Christine Kießling
Alle Fotorechte Christine Kießling, Förderverein Myanmar e.V.

 

Mein Itschaque-Frühstück

Zubereitung der Mohinga-Suppe

 

Itschaque-Bäckerei

Könnte aus einem myanmarischen Kochbuch stammen: frische Mohinga-Suppe

 

Kindergarten Mingun