Das große Fest wirkte noch nach: am Montag gab es im Kloster eine Speisung für alle, die kommen wollten. Das Gastgeber-Ehepaar sah nach dem Fest-Marathon richtig glücklich aus. Ein großer Helfertrupp kochte in riesigen Töpfen wieder Reis mit verschiedenen Beilagen, zum Nachtisch gabs Mandarinen- und Apfelschnitze, sogar kleine blaue Trauben. Die zum Fest errichteten großen Vorbauten wurden abgetragen, sämtliche Bambusstangen und Dekorationsteile auf Lastwagen verladen und zum Einlagern weggefahren. Die kleinen Mönchlein waren beim Essen auch mit von der Partie. Heute habe ich erfahren, dass die Gastgeber lange vor dem Fest zu den Eltern der Kinder gehen und sie einladen, um bei der Zeremonie zuerst Prinz zu sein und dann Mönch zu werden. Stimmen die Eltern und Kinder zu, werden sie auf der Einladungskarte genannt.
Beim nachmittäglichen Unterricht habe ich ein Fazit gezogen über das bisherige Taining und meine Schülerinnen noch darin unterrichtet, wie sie ihr Wissen am effektivsten weitergeben können. Immer wieder biete ich auch mein Coaching übers Internet an, um ihnen Sicherheit zu geben. Sinnvollerweise kommt für die erste Erfahrung, ihre Kenntnisse anderen zu vermitteln, der Kindergarten an der Klosterschule PDO in Mandalay in Frage. Die zwei Erzieherinnen werden im ersten Schritt den Kindergarten besuchen und den Bedarf der dort tätigen jungen Frauen erfragen. Eine Schulung wäre in den kommenden Sommerferien möglich. Es würde mich freuen, wenn auch auf einem anderen Wirkungfeld die Saat aufgehen würde. So wäre die Nachhaltigkeit der Projektarbeit sichergestellt.
Am Dienstag habe ich mir dienstfrei gegeben. Ich hatte ein Auto mit Fahrer gemietet, um Annette vom Flugplatz abzuholen. Kyaw Kyaw gab mir seine Frau und seinen Bruder zur Begleitung mit, da er selber verhindert war. Es war ein beglückender Augenblick, als ich Annette durch die Passkontrolle laufen sah. Mit ihrer Ankunft wurde manches einfacher: frischer Wind von außen durch viele Erzählungen, ein feines selbstgebackenes Walnußbrot samt einer kleinen Dose Leberwurst und 100 g Südtiroler Schinken für einen heimatlichen Brotzeit-Schmauß. Am Kindergarten angekommen, gabs gleich von den Erzieherinnen duftende Blumenketten für sie. Kurz darauf schritt das Bürgermeisterpaar durchs Tor mit einer dicken Wolldecke und zwei Kissen. In einem Obstkorb waren Mandarinen, Kaki und Trauben arrangiert. Sie sind einfach unglaublich fürsorglich.
Der Mittwoch verging mit einer Dorfrunde, die ersten Abschiedsgeschenke wurden bereits überreicht und eine abendliche Essenseinladung folgte nach dem nachmittäglichen Unterricht.
Am Donnerstag fuhren die zwei Erzieherinnen mit Boot und Bus zur Klosterschule PDO, um den Kindergarten dort zu besichtigen und mit den Erzieherinnen zu sprechen. Beim abendlichen Unterricht haben sie Bericht erstattet. Es wurde ausgemacht, dass die Erzieherinnen der PDO nun als nächstes unseren Kindergarten besuchen.
Am Freitag kamen dann die lang versprochenen gebrauchten Bücher aus der PDO-Bücherei. Mit der Reparatur waren Kyaw Kyaw und seine Frau am gleichen Tag schon beschäftigt. Es ist alles eine Heidenarbeit.
Samstag: Die Möbel für die Bücherei sind geliefert und gestrichen. Schon morgens um 8 Uhr hat Soe Paing den Pinsel geschwungen. Es wurde noch die Sandkiste mit neuem Irrawady-Sand befüllt. Da werden sich die Kinder am Montag mit voller Hingabe durchwühlen. Wir waren dann zum Lunch bei einer Schülerin und zum Dinner bei Kyaw Kyaws Schwester eingeladen. Jede Familie möchte ihre Gastfreundschaft zeigen.
Am Sonntag packten dann alle vom Team nochmal kräftig an, um Bücher zu reinigen, zu kleben und einzubinden. Ich regelte mit Kyaw Kyaw noch die letzten Absprachen. Ich hatte ja den Auftrag, vier Patenschaften in die Wege zu leiten. Auch das haben wir noch abgeschlossen.
Vor einpaar Stunden gab es die übliche Verabschiedung im schönen Irrawady-Lokal mit der Lokal-Prominenz. Diesmal waren es zwölf Personen, da auch der Altbürgermeister und ein Ex-Kindergartenkommittee-Mitglied mit Frau und der Aquarell-Künstler dabei waren. Der Police-Officer ließ diesmal lange auf sich warten. Es wurde von seiten der Gemeinde gedankt und die Hoffnung ausgedrückt, dass ich weiterhin helfe. Ich meinerseits bedankte mich für die Unterstützung in der Arbeit und die Sorge um mein Wohlergehen. Dann zeigte mir der Oberbürgermeister noch ein Bild, das er in Facebook gestellt hat: er mit mir zur Linken, “das ist der Platz für die Verwandten”, erklärte er. Da mußte ich nach Myanmar reisen, um mal in Facebook zu landen, man glaubt es kaum.
Nun ist der Einsatz zu Ende. Man muß körperlich und seelisch schon sehr belastbar sein, um unter diesen einfachen Bedingungen eine gute Arbeitsleistung abzuliefern. In drei Einsätzen habe ich in kompakter, der Kultur angepaßten Form moderne Elementarpädagogik vermittelt. Wenn meine Schülerinnen all das Gelernte umsetzen, arbeiten sie hervorragend und beispielgebend.
Ich reise mit vielen Bildern im Kopf von diesem Ort ab. Mit mehreren Menschen verbindet mich mittlerweile eine große Vertrautheit. Ich werde nun mit meiner Freundin noch zwei Wochen als Touristin im Land reisen. Dies ist ein gewöhnungsbedürtiger Kontrast: hier im Dorf bin ich bekannt, dort ein Nobody wie alle anderen ausländischen Besucher.
Natürlich freue ich mich aufs Heimkommen, die bekannte Welt mit ihren Annehmlichkeiten, die man erst schätzt, wenn man sie entbehrt hat. Auch freue ich mich auf die vielen Gespräche mit interessierten Menschen, die darauf warten, mich willkommen zu heißen.
Ich bedanke mich bei allen, die mir regelmäßig oder gelegentlich geschrieben und damit zu meinem Wohlbefinden in der Ferne beigetragen haben.
Nun grüßt herzlich zum letzten Mal aus dem kleinen Mingun am großen Irrawady, Christine