(Deutsch) Lebendige Patenschaft: Ein Patenkind berichtet aus Mandalay

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Eine Patin, die noch Kontakt zu ihrer Patentochter in Mandalay hat, berichtet, wie das Mädchen die Situation nach dem Militärputsch erlebt. Es ist kein Einzelschicksal sondern beschreibt, wie es vielen Jugendlichen geht, die Angst um ihre Zukunft, um ihre Träume und ums Überleben haben.

Die 16-jährige lebt mit ihren Eltern, ihren Großeltern und der jüngeren Schwester in Mandalay nicht allzu weit von der Phaung Daw Schule entfernt. Das Mädchen möchte nicht, dass ihr Name genannt wird, weil sie Angst hat, dass das Militär zurückverfolgen kann, wer sie ist und im schlimmsten Fall sie und ihre Familie verhaftet wird.
Die Patin unterstützt das Mädchen bereits seit 10 Jahren und mit der Zeit hat sich eine intensive Beziehung entwickelt. Sie stehen über Messenger und Telegram auch jetzt noch immer in Kontakt.
Zu Beginn der Patenschaft ging es der Familie sehr schlecht. Aber in den letzten Jahren hatte sich die Situation etwas gebessert, nachdem der Vater eine bessere Arbeitsstelle mit einem mehr oder weniger festen Einkommen gefunden hatte. Eigentlich hätte das Mädchen dieses Jahr ihr Matriculation Examen gemacht. Aber dann kam COVID-19. Das Schuljahr wurde ausgesetzt, der Vater hat seine Arbeitsstelle verloren und der Familie ging es zunehmend wieder schlechter.
Am 1. Februar fand die Patin gleich beim Aufstehen eine Nachricht ihres Patenkindes auf dem Smartphone „Now democracy is not good in my country. Military has come“. Beunruhigt von dieser Mitteilung hat die Patin gleich die Nachrichten angeschaut und vom Militärputsch erfahren.
Anfänglich war in der Nachbarschaft des Mädchens noch alles ruhig. Außer am Abend, wenn pünktlich um 20h die Familie, wie Menschen im ganzen Land, beim Töpfe-Schlagen mitgemacht hat. Der Vater und manchmal auch die Mutter, haben sich an den Protest-Aktionen beteiligt. In der zweiten Woche nach dem Putsch kamen in der Nacht Randalen in das Wohnviertel und haben etliche Haushalte demoliert. Seitdem geht der Vater zusammen mit anderen Männern aus der Nachbarschaft jede Nacht auf Nachtwache.
Als es die ersten Getöteten in Mandalay gab, rief das Mädchen ihre Patin an und hat am Telefon geweint. Als zum ersten Mal auch in ihrem Wohnviertel Schüsse fielen, schreibt das Mädchen, dass sie alle nur noch Angst haben. Angst vor jeder Nacht. Angst davor, dass der Vater von einer seiner Nachtwachen nicht nachhause kommt.
Zu der Angst kommt die finanzielle Notlage der Familie. Das kleine Moped, das die Familie besaß ist schon lange verkauft. Der Erlös hatte gereicht, dass die Familie eine Weile Lebensmittel kaufen konnte. Aber inzwischen ist auch dieses Geld aufgebraucht und es gibt nichts, was noch verkauft werden könnte. Bei einem der letzten Video-Telefonate hat das Mädchen der Patin gezeigt, was die Familie für den nächsten Tag zu essen hat – 8 Eier. Glücklicherweise gibt es immer wieder Nachbarn, die ein paar Lebensmittel abgeben, so dass es dann auch wieder eine warme Mahlzeit geben kann.
Nachdem inzwischen schon mehrmals zahlreiche Soldaten in das Wohnviertel kamen und auch einige Nachbarn mitgenommen wurden, wollte die Familie eigentlich für eine Weile Mandalay verlassen. Im Heimatdorf des Vaters könnte die Familie vorübergehend bei dessen Bruder zu wohnen. Aber die Überlandbusse fahren schon seit Wochen nicht mehr und für Taxi-Mopeds, fehlt das Geld. Also muss das Mädchen und seine Familie weiter in Mandalay bleiben, darauf hoffen und dafür beten, dass die „Spring Revolution“ doch noch zu einem guten Ende kommt.
Seit einigen Jahren schon hatte das Mädchen einen konkreten Berufswunsch von dem sie ihrer Patin immer wieder erzählt hat. Sie wollte studieren und dann Polizistin werden, weil in ihren Augen die Polizei die Menschen beschützt und das Verbrechen bekämpft. Auch wenn die Zukunft für das Mädchen wie für alle Menschen in Myanmar ungewiss ist. Eines ist wohl sicher – Polizistin will sie nicht mehr werden.

April 2021 Brigitte Falkenstein


Schneller Überblick zur Lage in Myanmar

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