Frau Christine Kießling hat uns bisher 2 sehr lesenswerte Berichte aus Mingun geschickt. Nun schildert sie uns ihre Eindrücke der 3. Woche, wo sie unter anderem auch an Moe Moes Hochzeitsfeierlichkeiten teilgenommen hat.
An alle lieben Menschen, die an meinem Aufenthalt hier interessiert sind!
Ich hoffe, dass meine mails ueberall ankommen aus diesem kleinen Maschinchen namens Laptop, kombiniert mit Handy, voellig unpluged. Ich bin wohlauf und guten Mutes. Mein Schlaf- Wachrhythmus hat sich eingependelt, nachdem ich in der ersten Woche schon zerzauste Naechte hatte.
Es hat sich in der vergangenen Woche natuerlich wieder viel ereignet. Erst mal die Hochzeit von Moe Moe. Es stand schon im Dorf das motorradbetriebene Sammeltaxi und im Hafen das Boot fuer die Hochzeitsgaeste bereit. Alle ziemlich aufgebrezelt, auch ich hatte mir einen festlichen Lungj gekauft und wurde entsprechend gelobt. Am Hafen in Mandalay dann in der 7. Reihe angelegt, der Landgang erfolgte ueber die diversen Huehnerleitern von Schiff zu Schiff, wobei mir ein junger Kavalier zur Seite stand. Dann erfolgte die Abholung mit dem PDO-Auto und die Fahrt zum Festsaal. Vor der Tuer stand das gezierte Hochzeitsauto, auf der Eingangstreppe standen die „Brautjungfern“ mit Anstreckstraeusschen. Begruessung durch das Brautpaar, wunderschoen hergerichtet. Ich wurde dann neben Win Aung plaziert, so konnte ich gleich Einiges beprechen. Auf dem Tisch standen Kuchenschnitten, Eis wurde sofort serviert. Das Brautpaar ist auf der hergerichteten Buehne mit diversen Gaesten gefilmt und fotografiert worden. Jeder hat sein Geschenk abgegeben. Nach eineinhalb Stunden leerte sich der Saal allmaehlich, der Zauber war vorbei. Es war so etwas anders, als ich es erwartet hatte. Nachdem eine Koechin heiratet, habe ich nicht gerade mit einer Schweinshaxe, so doch mit ein paar feinen Leckereien gerechnet. Es gab auch keinerlei Zeremonie. Hauptsache, das Ehepaar wird gluecklich.
Anschliessend an der PDO die Schreinerei und den Kindergarten (o, Elend, gut, dass ich in Mingun bin!) besichtigt. Unsere Moebel verzoegern sich etwas. Auf Gutes muss man halt warten koennen. Wir haben unseren Fokus nun nach aussen verlegt und kuemmern uns um den Garten. Das Tor ist neu eingesetzt, nachdem die Maurer zwei Tage lang die Pfeiler z. T. abgetragen und dann neu aufgezogen haben. Die freiwerdenden Steine, obwohl sehr broeselig, habe ich gerettet. Sie sollen als Beeteinfassung weiterverwendet werden. Nun wird das Tor noch von den Freunden von Jojo gestrichen, sie sind schon seit heute morgen 7 Uhr dabei. Wichtig ist dann noch, dass es leichtgaengig gemacht wird, dass alle Leute einfach raus und rein koennen. Durch das Tor ist sicher die Invasion der Kuehe am spaeten Abend unterbunden und auch der Besuch der Strassenhunde, die abgemagert und krank ausschauen, etwas eingedaemmt. Sie sind so unverfroren und springen durchs Fenster (haben ja kein Glas) und schnueffeln im Essbereich der Kinder nach Resten. Total unappetitlich, da muss ich an mich halten. Meiner Meinung nach ist eine Mauer an der 4. Seite dringend erforderlich, um einen einigermassen hygienischen Standard zu gewaehrleisten.
Der Schuldoktor war auch da und hat die Kinder untersucht. Jetzt weiss ich auch, dass es eine schlafende Kinder-Tbs gibt, die weiterschlaeft, wenn das Kind durch ausreichend Ernaehrung ein gutes Immunsystem beibehaelt. Er hat sich lobend ueber meine Anstrengung, durch Spielzeug fuer „mental development“ zu sorgen, geaeussert. Wir wollen ihn zum 2. Elternabend einladen, damit er ueber Ernaehrung, Hygiene und Erziehung spricht. Der erste Elternabend ist am Ende meines Einsatzes geplant.
Mit den Erzieherinnen laeuft nach wie vor alles bestens. Es ist viel Humor bei den Lessons, eine geloeste Stimmung, obwohl ich schon zuegig vorwaerts gehe und sie ja waehrend des Tages auch hart am Kind kaempfen. Heute waren 25 Kinder da, das ist schon die Grenze, bringen sie doch von Zuhause wenig mit.
Ich kenne nun die Kindernamen von vielleicht zu einem Drittel, habe ihnen aber schon vorher insgeheim Spitznamen gegeben. Es gibt z. B. die Gschaeftige, die Springmaus und die Heulsuse, bei den Jungs einen Buergermeister. Er hat immer was Interessantes dabei, z. B. einen Bleistift im Hosenbund und im Hemdtaeschchen eine Waescheklammer und man kann ihn dabei erwischen, wie er auf der Verandabruestung steht, Hohlkreuz, Brust raus, Strahlen im Gesicht und im hohen Bogen in den Garten pinkelt. Da ist es mir nicht mehr moeglich, das paedagogisch erforderliche wilde Gesicht aufzusetzen. Die Kinder haengen am Rockzipfel und geniessen die einfachsten ausgeleierten Kniereiter aus meiner eigenen Kindheit.
Am Wochenende werde ich anlaesslich meiner Halbzeit mit dem Team einen Ausflug in die Berge machen, sozusagen einen Betriebsausflug. Mit von der Partie sind die drei Girls, Jojo und der Hausmeister Bo Thaw mit Frau und drei Kindern. Auch die Mama von Jojo schliesst sich an, da sie selten aus dem Dorf rauskommt. Gestern war ich bei ihr zum Dinner, es war schon was anderes als mein Restaurantessen. Heute morgen bin ich bei der Familie, bei der ich immer duschen kann, zu Gast gewesen: 5 Personen schauen einem beim Essen zu und danach gab es Nescafe, den ich sehr genossen habe. Verstaendigung in rudimentaerem Englisch, alle halfen zusammen, jeder verstand einen Brocken, so wurde ein Ganzes daraus. Dann war letzte Woche noch Vollmondfest. Die Kinder gingen von Haus zu Hause und bettelten um Gaben. Im Gegenzug versprachen sie, fuer den Schenker zu beten. Heischebraeuche dieser Art sind frueher bei uns zu verschiedenen Festen im Jahreskreis ueblich gewesen. Jetzt ist nur noch Halloween uebrig geblieben.
Zum Schluss noch die kleine Nachtmusik, nicht von Mozart, sondern von Mingun: Mopedgeknatter, suessliches Musikgedudel, Hundegebell, Maennerunterhaltung, ein schnalzender Gecko und gelegentliches Babyweinen. Seid alle herzlich gegruesst aus dem kleinen Mingun am grossen Irrawaddy…….