Liebe Bekannte und Freunde!
Nach 24stündiger Reise mit zweimal umsteigen bin ich, nachdem mein Geburtstag im
wahrsten Sinn des Wortes “im Flug verging”, vormittag um 11 Uhr in Mandalay gelandet.
Am Ausgang wartete schon winkend der Trupp aus Mingun. Unter ihnen Kyaw Kyaw,
genannt Jojo, meine Bezugsperson hier. Er ist verantwortlich für die Verwaltung der
Patenschaften des Fördervereins “Help Myanmar” und übernimmt freiwillig das
Managment für den Kindergarten. Übers internet wurde ich die ganzen drei Jahre durchbihn bestens über Alles informiert. Mit dem Pickup des Minguner Fuhrunternehmers gings relativ schnell vom Flugplatz um die Millionenstadt Mandalay herum in die Kreisstadt Sagain, wo wir erst mal ein Lunch einnahmen. Stark übernächtigt, fielen mir in der Wärme fast die Augen zu. Auf der Fahrt nach Mingun habe ich alles natürlich wiedererkannt, alles war unverändert und fühlte sich ein bißchen an wie “heimkommen”. Am Kindergarteneingang haben die Erzieherinnen, ich weiß nicht wie lang, mit den Kindern in zwei Reihen stehend, gewartet. Sie hatten Willkommensschilder in der Hand und jedes Kind durfte mir einen duftenden Blütenkranz umhängen. Ein jedes hatte seine Kindergartenkleidung in weiß und blau an und einen selbstgebasteten Kopfschmuck auf.
Es war eine gelungene Ueberraschung und eine gekonnte Inszenierung. Nach einem
Gruppenfoto ging ich in mein Kämmerchen, wo für mich eine doppelt gefaltete Steppdecke als Schlafunterlage hergerichtet war. Mit meinem 30 Jahre alten Daunenschlafsack, der auf vielen Reisen mein schützender Konkon war, legte ich mich nieder und schlief, mit dem Duft von Mottenkugeln in der Nase und dem Singsang der Kinder im Ohr, schnell ein.
Erfrischt erwachte ich und schaute der Dämmerung beim Dämmern zu, sinnierte dies und das und wartete auf meine Seele, die noch zwischen Anatolien und Hinterindien
unterwegs war. Zum Dinner war ich beim Bürgermeister eingeladen, feines Familienessen mit Planungsgesprächen. Am nächsten Tag habe ich das Kindergartenbüro, das nun sieben Wochen mein Zuhause ist, hergerichtet. Myat Kyi Win, die Frau des Bürgermeisters, half mir beim Räumen. Mit einem Blick auf das Putzwasser, sagte sie: ”black coffee!” Lachend waren wir uns einig, dass das Office nur das Zimmer eines Mannes sein kann. Inzwischen sind viele Leute vorbeigekommen, um Hallo zu sagen. Wenn ich durch die Hauptstraße gehe: “Mingalaba” hier und “Mingalaba” da, und aus so manchem Haus kommt lachend ein Kind gesprungen, das vor drei Jahren noch im Kindergarten war. Abends war dann der erste offizielle Treff mit dem Team, bei dem meine Geschenke großen Anklang fanden und der Rahmen für das neue Taining abgesprochen wurde. Es gibt eine Sechstagewoche mit Unterricht von Montagabend bis Samstagabend, wobei die ausgeschiedene Erzieherin auch mitmacht. Momentan bin ich noch in der Beobachtungsphase. Heute gab es eine Turnstunde, wobei sehr kreativ Zeitungsblätter als Material benutzt wurden. Auch die Großgruppe von ca. 30 Kindern führen sie souverän. In diesem Jahr sind besonders viele kleine Kinder dabei, was die Sache noch anspruchsvoller macht.
Wir nähern uns dem Novembervollmondfest, das im Ort mit großem Aufwand gefeiert
wird. Der Haupttag ist am Donnerstag. Wir waren mit drei Mopeds dort, zweimal zwei
Frauen, einmal zwei Männer, die Fahrzeuge für burmesische Verhältnisse eigentlich
unterbesetzt. Es ist ein großer Jahrmarkt und es geht um “sehen und gesehen werden”.
Auch ich traf vier Bekannte und hielt small talk. Man nascht einpaar Snacks, trinkt
kostenlosen Tsche nue tschan ( grünen Tee) und geht nach einer Stunde wieder, weil die Musik schon gut dröhnt. Man fragt sich, wozu man sich aufgebrezelt hat. Auf dem Nachhauseweg haben wir dann für die Kinder noch einpaar meiner Süßigkeiten versteckt, wie es Brauch ist, und einige Tische, die mitten auf der Straße standen, umfahren. Diese Späße ähneln denen der bayrischen “Freinacht” vor dem 1. Mai.
Am Mittwoch habe ich die Pakete, die der Container brachte, geöffnet und den Inhalt mit den Schülerinnen angeschaut und verräumt. Ich hatte üppig beim Kindergartenversand eingekauft, besonders die schweren Dinge wie Farbe und Papier. Die Rechnung habe ich mit der Spende eines großzügigen Nachbarn bezahlt. Das Material muss für eine ganze Zeit lang reichen, ein Container kommt so schnell nicht wieder. Dann habe ich einen Krankenbesuch gemacht und abends war noch der jedes Mal fällige Treff mit den einflußreichen Männern des Ortes angesagt. Zur blauen Stunde saßen wir im besten Lokal mit Blick auf den Vollmond über den schillernden Wassern des Irrawady, in der Ferne die beleuchteten Klosteranlagen von Mandalay Hill und an meiner linken Seite der smarte police-officer mit dem Messerhaarschnitt und den engen Hosen. Er betonte, dass es für Ausländer nicht erlaubt ist, privat zu wohnen. Für mich mache er eine Ausnahme, da er mich schon länger kennt und ich für das Dorf arbeite. Wir bedankten uns artig für seine Großzügigkeit. Er war, wie letztes Mal, von der “schnellen Truppe”: verspätet eintreffen, small talk, schnell essen und nach 20 Minuten verschwinden, dazwischen natürlich telefonieren. Die übrigen drei Männer und ich haben uns darüber amüsiert. Nun, nach Tagen ließ er wissen, er brauche für seinen Vorgesetzten wöchentlich einen Bericht über meine Arbeit. Wir spielen das Spiel mit, er bekommt meine “Description of Tasks” vom SES mit der Beschreibung meiner Arbeit, vielleicht reicht das. Wir haben vorgestern den Maler eingeladen, der 50 Aquarelle für eine Verkaufsausstellung auf unserem Hof zur Verfügung gestellt hat. Der Erlös fließt zum größten Teil in den Kindergarten und zukünftige Minguner Projekte. Ich habe ihm Fotos gezeigt, auf denen seine Bilder schön gerahmt über einem Wohnzimmersofa hängen. Es hat ihn auch beieindruckt, dass sein Name in dem Zeitungsartikel, der für die Ausstellung geworben hat, zu lesen war.
Des weiteren gab es ein Meeting mit dem Bürgermeister und Jojo, bei dem wir die
Einrichtung der Kinder-Bücherei besprachen. Sie soll in einem kleinen Raum des
Kindergartengebäudes untergebracht werden. Schon bei meinem letzten Einsatz wurde
dieser Wunsch formuliert. Daraufhin ist das Zimmer geräumt und gestrichen worden.
Weiteres wurde bisher nicht verfolgt, da andere Dinge im Vordergrund standen. So nehme ich das Geld, das mir die Neusäßer Wolfgang-Mayer-Stiftung zur Verfügung gestellt hat, um dieses Projekt zu verwirklichen. Barthel Schmitz, der SES-Mann fürs Holz, hat bereits 2014 Zeichnungen für die Regale angefertigt. Diese haben wir nun heute, am Samstag, dem Dorfschreiner gezeigt und Weiteres diskutiert. Wichtig ist mir, dass das Geld im Dorf bleibt. Die Männer haben bereits die Art des Holzes gewählt. Es soll resistent gegen Insektenfraß sein. Momentan ist eine gute Holzlage, Holz war vor zwei Jahren schwieriger zu bekommen. Auch der Schreiner hat einen leeren Terminkalender, so kanns bald losgehen. Somit gibt es für mich wieder eine zweite “Baustelle”, wie auch bei den letzten beiden Einsätzen. Neben meiner Lehrtätigkeit war jedes Mal ein Innenausbau angesagt: 2012 Kindergartenmöbel, 2014 Büro-Einrichtung, 2015 Bücherei-Einrichtung. Da muß man Einiges organisatorisch verzahnen, was die Sache interessant macht.
Gestern Abend hatte ich mit den Girls den ersten Unterricht. Es hat mich total beglückt, wie die zwei Erzieherinnen an der Aufgabe gereift sind und gut reflektierte Beurteilungen abgeben. Sie äußerten freimütig die Höhen und Tiefen ihrer Arbeit, doch dann kamen sie zum Ergebnis: “We love that job!” Nach dem differenzierten Rückblick steht heute der Ausblick auf die Inhalte der kommenden Wochen an. Wir werden alle Methoden mit praktischen Beispielen vertiefen, damit sie Sicherheit gewinnen. Das Praktische macht ihnen besonders Spaß, es wird viel gelacht dabei. Ab nächster Woche sind dann die Helferinnen, die momentan noch an der Uni sind, auch wieder da. Dann sind es acht Schülerinnen.
Nun, soweit mein erster Bericht. Für mich ist es immer nett, neben der Beschreibung
meiner Arbeit auch ein Stimmungsbild über das dörfliche Leben zu liefern. Das werde ich weiter im Auge haben. Ich höre aus Deutschland, dass da der Winter Einzug gehalten hat. Hier sind sommerliche Temperaturen und vorgestern gabs ein kleines, kurzes Erdbeben.Es grüßt alle frisch und fröhlich aus dem kleinen Mingun am großen Irrawady, Christine